Literatur:
Zentrum der Installation dieser Performance war ein hölzerner Stuhl. Daneben stand ein Diaprojektor, der im Leerbetrieb lief und leuchtend weiße Bilder projizierte. Über der Stuhllehne hing ein Jackett. Weitere Stühle waren an den drei Wänden, die die Bühne begrenzten, aufgehängt. Schwarze Jacketts über der Rückenlehne verhüllten sie. Die Sitzflächen wiesen zur Wand. Aus Lautsprechern waren herbe Musik, alte und neue Nachrichten zu hören, auch ein Gedicht von Ernst Jandl (Von Zeiten). Dann trat Stille ein, die nur vom metallischen Klicken des Projektors unterbrochen wurde. Den Rücken zum Publikum gekehrt, saß Klauke während der gesamten Performance auf dem Stuhl, mit dem er untrennbar verbunden zu sein schien. Schließlich begann er, sich mit einer Handsäge aus dem Stuhl herauszusägen, bis dieser unter ihm zusammenbrach. Klauke ergriff, was vom Stuhl übrig blieb und zertrümmerte es durch heftige Schläge auf den Boden. Dann verließ er die Bühne – wütend und unbefriedigt, als hätte er auch sich selbst geschlagen. Aus dem Lautsprecher ertönten wiederum banale Alltäglichkeiten. Rechts im Bild stand der Mitakteur Udo Lefin, »Der Belastbare«. Er stand schräg gegen die Wand gelehnt und hielt während der ganzen Zeit einen Stuhl über dem Kopf, über dem eine Jacke hing. Als Klauke die Performance zum ersten Mal aufführte, 1981 im Lenbachhaus München, merkte er erst während der Performance, auf was er sich eingelassen hatte. Der wahllos gegriffene Stuhl war aus hartem Holz und die Stichsäge erwies sich als stumpf.
Das Performance-Festival im Lenbachhaus war wie schon 1979 von Helmut Friedel organisiert worden. Neben Jürgen Klauke waren Nan Hoover, Laurie Anderson, Thomas Lehnerer, Planstudio Siepmann, Richard Kriesche, Richard Landry, Arleen Schloss und Dan Graham an der Veranstaltung beteiligt.
Dem Performance-Festival vom Künstlerhaus Bethanien, Berlin, veranstaltet im März 1982, war im Mai 1981 ein erstes Festival vorausgegangen, welches großen Erfolg hatte. Klaukes Performance erhielt nur geteilte Zustimmung.
Ein letztes Mal führte Klauke die Performance im Mai 1982 in Karlsruhe auf. Michael Schwarz, Leiter des Badischen Kunstvereins, hatte zusammen mit dem Deutschen Werkbund e.V. eine Ausstellung zum Thema Sitzen organisiert: Z.B. Stühle. Ein Streifzug durch die Kulturgeschichte des Sitzens.(1) Ziel der Ausstellung war es, die Zusammenhänge zwischen Kulturgeschichte und Sozialgeschichte mit den Entwicklungen von Design und Kunst zu veranschaulichen. Von Klauke war in der Ausstellung das 17teilige Fototableau Melancholie der Stühle III zu sehen.
Im Zusammenhang mit der Karlsruher Ausstellung wurde die Einbettung der Performance in Klaukes Werkkomplex um so anschaulicher. Stühle spielen in seinen Fotosequenzen eine wichtige Rolle, so etwa in der elfteiligen Arbeit Alleinsein ist eine Erfahrung von immer weniger (1975), Formalisierung der Langeweile (1980/81), Melancholie der Stühle I, II und III (1980–81).
Über die Performance urteilte Gerhard Johann Lischka 1987: »1981, mit der ›Melancholie der Stühle‹, vollzieht Klauke den zu dieser Zeit und noch besser zu späterer Zeit sichtbaren Wandel zu einer komplexeren Performance-Auffassung. Der wesentliche Unterschied ist, daß jetzt auf das Environment mehr Gewicht gelegt wird, daß eine Installation den Raum zum ebenso wichtigen Teil der Performance macht wie die Aktion selbst. Arno Steffen liefert dazu den Sound und ist Mitakteur. Diese Arbeiten müßte man eigentlich als Performance-Theater bezeichnen.«(2)