In der TaT – Kultur
I. Bonner Kunstwoche, Kunstzelt im Hofgarten, Bonn, 23. September 1984, 21 Uhr
II. Performance in NRW, Westfälischer Kunstverein, Münster, 31. Oktober 1984, 18 Uhr
III. Performance in NRW, Kölnischer Kunstverein, Köln, Anfang November 1984
IV. Die Maler und das Theater im 20. Jahrhundert – live!, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt a.M., 14. März 1986, 20.30 Uhr
Akteure: Jürgen Klauke und Arno Steffen. Installation, Sound, Live-Akt, 22 Minuten, Zusammenschnitt 3:20 min

Literatur:

Die Installation bestand aus zwei Stühlen und Großbildprojektionen auf drei Wänden. Auf der einen Wand war gleichbleibend das Bild einer Menschenansammlung, auf den anderen beiden Wänden waren wechselnde Projektionen von händeschüttelnden Politikern zu sehen. Aus dem Lautsprecher ertönten Werbespots. Zu Beginn der Performance setzten sich Klauke und Arno Steffen, korrekt in dunkle Anzüge gekleidet, auf die Stühle, die etwa zehn Schritte voneinander entfernt am rechten beziehungsweise linken Rand der Bühne plaziert waren. Ihr Blick wanderte ins Publikum. Nach einiger Zeit des Wartens standen sie auf, kontrollierten ihre Kleidung, gingen aufeinander zu, trafen sich in der Mitte, die von einem Lichtkegel beleuchtet war, begrüßten sich mit Handschlag. Es entwickelte sich eine Begrüßungszeremonie in Anlehnung an die Rituale aus der Politik: die Hände wurden lange gedrückt, ein stimmungsunabhängiges Lächeln aufgesetzt, die Köpfe zum Publikum gedreht, als wolle man Fotografen ausreichend Gelegenheit zu ihren Aufnahmen geben. Es folgte eine Umarmung, ein (Zungen-)Kuß, dann wurden Ohrfeigen ausgetauscht.(1) Zuletzt boten sie sich höflich Platz an und gingen zurück zu ihren Stühlen. Dieser Ablauf wiederholte sich in immer kürzer werdenden Abständen. Gegen Ende der Performance gingen sie nicht mehr zurück auf ihren Platz, vielmehr begann das Begrüßungsritual unmittelbar nach dem gegenseitigen Platz anbieten von neuem. Zuletzt tauschten sie etwa eine Minute lang beidhändig Ohrfeigen aus. Bevor sie abtraten, blieben sie ein letztes Mal in der Kohl-Mitterand-Pose von Verdun zum Publikum gedreht stehen. Für den Titel der Performance wählte Klauke eine Redewendung, die zu jener Zeit populär war: »in der Tat«. Klauke empfand sie als Hülse durch Medien- und Politikjargon völlig sinnentleert. Er hatte die Performance für die erste Bonner Kunstwoche konzipiert, die vom 21. bis zum 28. September 1984 stattfand und das Ziel hatte, auf die unzureichende Situation der bildenden Kunst in Bonn aufmerksam zu machen. Als Teil der Kunstwoche organisierten Elisabeth Jappe und Dierk Engelken die Veranstaltungreihe D-5300 Kunst, bei der auf einem über 530 qm großen Zeltareal im Hofgarten Workshops, Performances, Film-, Video- und Pantomimeaufführungen stattfanden. Es galt aufzuzeigen, »daß es für die bildende Kunst keine starren Grenzen gibt« und »daß ein Teil der bildenden Kunst, die Performance, so etwas wie eine Drehscheibe für die unterschiedlichen Künste sein kann.« Ziel war es, »Formen zu finden, mit denen man ein breites Publikum für künstlerische Gedanken und Formen interessieren kann.«(2)
Weitere Aufführungen der Performance fanden im Rahmen des Projektes Performance in NRW statt, das 1984 zum dritten Mal von den nordrhein-westfälischen Kultursekretariaten organisiert worden war, um dieser Sparte der Kunst »Raum und Öffentlichkeit zu erschließen.« Veranstaltungsorte waren Köln, Mönchengladbach, Mühlheim a.d.R., Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Marl, Münster. Inhaltlich oblag die Konzeption Elisabeth Jappe.
Im Frühjahr zeigte Klauke die Performance ein letztes Mal im Rahmenprogramm zur Eröffnungsausstellung der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Während der Aufführung, so berichtet Klauke, kam ein junger Mann auf die Bühne und wollte sie davon abhalten, Ohrfeigen auszutauschen. Als er aber selbst eine Ohrfeige erhielt, ging er schnell wieder zurück. Das Anliegen von Christopher Tarnow, der die Programmreihe zusammengestellt hatte, war es, bestimmte Schwerpunkte der Ausstellung ›live‹ zu zeigen. Das Programm umfaßte Performance, Theater, Tanz, Musik und Filmdokumentationen. Die Performance In der Tat wurde stets politisch interpretiert: Sie zeigte die Banalität des diplomatischen Rituals und warf die Frage auf, »[...] ob Politik und Produktwerbung vielleicht in die gleiche Wertkategorie gehören und beide die Ergebnisse marktstrategischer Überlegungen sind.«(3)

  1. Eine Aktion zum 100jährigen Bestehen der Kunstakademie München – Klauke hatte dort eine Gastprofessur – hatte ebenfalls Ohrfeigen als Bestandteil. Arno Steffen und Udo Lefin, einander gegenübersitzend, tauschten Ohrfeigen aus.
  2. Engelken, in: Gedanken, Ziele, Erfahrungen. Ein Gespräch mit den Initiatoren und Organisatoren des Künstlerzeltes, Elisabeth Jappe und Dierk Engelken, in: D-5300 Kunst Künstlerzelt, Bonn 1985, S. 8, 10
  3. Bruno F. Schneider, Höhensturz des Engels. »Performance«-Reihe mit Jürgen Klauke und Rose Finn Kekcey, in: Kölnische Rundschau, 7. November 1984